H24 – 24 Frauen, 24 Geschichten

Dokumentarserie von Nathalie Masduraud und Valérie Urrea

ARTE France 2020, Les Batelieres Productions

„ einen Raum schaffen, in dem wir uns unsere Geschichten wieder zu eigen machen können…“ Valérie Urrea

I
Es ist der andere Blick, die Ästhetisierung durch das Medium Film, der dieses Projekt zu etwas Besonderem macht.
Alle 24 Episoden thematisieren Gewalt gegen Frauen. Die wahren Begebenheiten wurden von 24 Schriftstellerinnen zu Texten gestaltet und werden von 24 Schauspielerinnen szenisch dargestellt. Sie zeigen die Perspektive der Frauen. (Der französische Titel ist präziser als der deutsche, es geht nicht um Geschichten, sondern um tatsächliche Begebenheiten, von Frauen erlebt, beschrieben und dargestellt.)
Nathalie Masduraud und Valérie Urrea haben das Projekt für ARTE 2020 realisiert, es ist abrufbar in der ARTE-Mediathek bis 2026.

II
Die 24 Kurzfilme zeigen die alltäglichen Demütigungen, Kränkungen und Gewaltakte, die Frauen erleben, weil sie Frauen sind.
Die Idee der Regisseurinnen ist, diesen Erlebnissen von Frauen einen öffentlichen Raum zu gewähren, in dem sie als Erzählerinnen wieder zu Subjekten werden, die die Herabsetzung zum Objekt männlicher Gewalt zurückweisen. Sie wollen dazu beitragen, das Schweigen über diese Vorfälle zu durchbrechen. Das Medium Film, in der Kombination von Bild, Text und Musik ermöglicht eine sinnliche Annäherung an das Erlebte, die über eine bloße Berichterstattung und Information hinausgeht.

III
Die 24 Episoden sind über die Stunden des Tages verteilt, sie passieren täglich und zu jeder Stunde. Sie ereignen sich in verschiedenen europäischen Ländern, also eigentlich überall. Die Protagonistinnen sind Mädchen und Frauen unterschiedlichen Alters und Hautfarbe. Sie sprechen meistens direkt in die Kamera, die Emotionen sind in ihren Gesichter wahrzunehmen. Die Szenen zeigen unterschiedliche Milieus, den privaten Bereich, die offene Straße sowie öffentliche Räume.
Alle vorstellbaren Formen von Demütigungen und Gewalt kommen vor, die Beschimpfung, die Beleidigung, die Belästigung, die Misshandlung, die Vergewaltigung, der körperliche Angriff etc. – aber sie werden erzählt, niemals wird der Akt der Gewalt selbst gezeigt.
Um die geballte Aggression zu konzentrieren, haben Nathalie Masduraud und Valérie Urrea für die Inszenierung einen strikten formalen Rahmen vorgegeben. Die Kurzfilme dauern maximal 4 Minuten, sie spielen an einem Ort und im Mittelpunkt steht der Monolog einer Frau. Es sind die gesprochenen Worte der Frauen, zum Teil untermalt von Musik, die die Szenen ästhetisch aufladen. Die unmittelbar spürbaren Emotionen werden durch die Sprache gefiltert und so die Beklemmung und Angst gemildert. Einerseits findet eine Distanzierung zu dem Ereignis statt, zugleich aber entsteht eine totale Intensität der Wahrnehmung.

IV
Das Besondere dieser Kurzfilmserie ist nicht die wiederholte Thematisierung und Beschreibung von Gewalt gegenüber Frauen, sondern die Umkehrung und Zurückweisung der Objektrolle in ein selbstbewusstes Reden und in eine kritische Reflexion über sich selbst. (Das ist der Unterschied zu den Formen der Selbstbekenntnisse in den social media). In einigen Szenen gelingen den Frauen spontane Gegenreaktionen, aber in den meisten Fällen handelt es sich um eine nachträgliche Rekonstruktion und ein Bewusstwerden dessen, was da gerade geschehen ist. So tritt das Unrechtmäßige des jeweiligen Ereignisses in den Vordergrund, nicht die erlittene Scham.

V
Nathalie Masduraud und Valérie Urrea haben langjährige Erfahrungen als Dokumentarfilmerinnen. Sie wissen, die Nähe zu den Protagonistinnen herzustellen und die Wirklichkeit realitätsnah abzubilden. In dieser Kurzfilmserie ist es gelungen, die Gewalt gegen Frauen sichtbar und öffentlich zu machen. Über das Medium Film gelingt es, mehr zu sagen und zu zeigen als es alleine durch Worte/Texte geschehen könnte. Die Begebenheiten haben ein menschliches Gesicht, das Gesicht einer Frau, einer von vielen.

1/2022

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